Sechs Jahre Schweden
2009
Heute vor sechs Jahren bin ich das letzte Mal als Noch-Berliner in meine neue Heimat Schweden gefahren. Das Auswanderprojekt sollte richtig beginnen.
Mit einem stinkenden EuroLines Bus ging es von Berlin über Kopenhagen nach Stockholm Centralen und von dort mit der U-Bahn bis zur neuen Wohnung in Östbergahöjden in Älvsjö – ein Stadtteil in Stockholm. Die erste gemeinsame Wohnung in Stockholm war nur zur Untermiete, bekommen haben sie nur durch Freunde. Der hiesige Wohnungsmarkt ist einfach nur eine Katastrophe und mit den Jahren nicht wirklich besser geworden. Auf jeden Fall hatten die Hin- und Herfahrten der letzten Zeit endlich ein Ende.
Anschließend sammelte ich Erfahrungen mit dem hiesigen Arbeitsamt und begann, wieder zur Schule zu gehen. Genauer gesagt ging ich zum Schwedischunterricht. Nach den Grundkursen (SFI-C und SFI-D) ging es gleich weiter mit den avancierten Sprachkursen (SAS grund, SAS A und SAS B). Nebenbei sammelte ich meine ersten Arbeitserfahrungen und erkundete gemeinsam mit Stefan die Stockholmer Umgebung.
Als kleine Familie sind wir zu dritt heil in Stockholm angekommen und ich habe mich wirklich über unsere Besucher gefreut und doch musste ich auch im ersten Jahr in Schweden Abschied von einem Teil meines Lebens nehmen: unserem Kater Garfield. Vergessen hab ich ihn bis heute nicht.
Kurz darauf haben wir unsere erste eigene 2-Raum-Wohnung in Fruängen gefunden, nach nur gut sechs Monaten zur Untermiete. Natürlich zum „Kauf“. Der vorherige Besitzer: Salem Al Fakir. Auch wenn wir heute keinen Kontakt zu ihm haben – schon interessant, von einem bekannten schwedischen Sänger eine Wohnung zu kaufen. So erlebte ich mein erstes Weihnachtsfest in Schweden in der eigenen Wohnung – inkl. Familienbesuch aus Berlin.
2010
Da ich gerne zu Disney on Ice in Berlin gegangen bin, haben wir 2010 diese Tradition wieder aufleben lassen. Natürlich ab jetzt in Schweden und auf schwedisch. Nach Stefans Arbeit und meinem Schwedischunterricht ging es dann regelmäßig an das Erkunden von Stockholm und der Umgebung. Wir schauten auch hier und da mal nach einem passenden Wochenendgrundstück. Im Sommer feierten Stefan und ich dann unsere Hochzeit nach – mit der Großfamilie und Freunden in Stolzenhagen bei Berlin. Insgesamt waren wir 2010 drei Mal in Berlin.
2011
Eine teilweise Sonnenfinsternis konnte ich dann Anfang 2011 in Stockholm erleben – ähnlich der von gester. Ich lerne auch, das „große Messen“ (Tiermesse) oder Feste (SL feierte X Jahre U-Bahn) in Stockholm nicht vergleichbar mit großen Festen in Berlin sind. Ich war das erste Mal auf der zugefrorenen Ostsee, durfte bei der Hochzeit von sehr guten Freunden dabei sein, war im Sommer dann das erste Mal in einem schwedischen See baden und fing als Deutschlehrer und Hortbetreuer an zu arbeiten. Der Jahresurlaub ging Richtung Norden bis nach Umeå. Anschließend wurde ein BMW 528 verkauft, den wir als eigentlichen C3-Ersatz gekauft hatten, sowie auch der Citroen. Wir waren inzwischen mehr davon überzeugt, dass wir in Stockholm kein eigenes Auto brauchen würden. Für unseren Besuch nach Berlin nahmen wir daher einfach einen Mietwagen. Irgendwie hat uns dann der Verzicht auf ein Auto doch zu stark eingeschränkt – wir kauften uns einen coolen, gelben New Beetle.
2012
Ich kaufte mir mit Stefan Schlittschuhe und fuhr 2012 das erste Mal nach vielen, vielen Jahren wieder Schlittschuhe. Auch unsere Wohnung wurde grundlegend saniert/renoviert. Denn die bisherigen Ausflüge und Besichtigungen zeigten uns weder ein passendes und bezahlbares Wochenendgrundstück noch eine bessere Wohnung oder gar ein Haus – ohne Kettenraucher als Nachbarn. Ich habe auch meine Ausbildung als “barnskötare” (Kindergärtner) abgeschlossen. Nachdem wir das Schlafzimmer und das Wohnzimmer in richtige Traumräume verwandelt hatten, ging es mit dem Beetle nach Berlin. Der Traum eines Cabrios wurde in Form eines schwarzen VW EOS erfüllt. Im Sommer 2012 kam Linus (der Sohn von unseren dt. Freunden hier) zur Welt. Welch’ ein süßer Wonneproppen. Die Stockholmer Umgebung erkundeten wir mit Freunden aus der „alten Heimat“. Das geplante Neujahrsfest mit Berliner Familienbesuch in unser gerade fertig renovierten Wohnung fiel dann aber flach. Der Besuch musste sich leider selber versorgen. Ich war da nämlich täglich bei Stefan im Krankenhaus, der sich am Vormittag vor der Ankunft des Besuches das Fußgelenk kompliziert brach und auf eine notwendige OP wartete.
2013
Im Januar 2013 kam Stefan dann wieder nach Hause und Linus zu Besuch. Ausflüge zur Erholung meisterte Stefan auch mit seinen Krücken. Nur Auto fahren durfte er währen der Zeit nicht. Stefan wechselte seine Arbeitsstelle und blühte richtig auf. Wir wagten uns auch an den Antrag für die Adoption eines Kindes – und gingen das vorgegebene Prozedere durch. Theoretisch dürften wir also nun ein Kind adoptieren – wollen wollten wir schon vorher.
Den Jahresurlaub teilten wir in drei Etappen: Berlin, Hamburg und Ulricehamn. In Berlin war ich bei der Beerdigung von Stefans Opa – sehr traurig – in Hamburg sollte der Alltag wieder zurückkehren – wir schauten das Musical „Der König der Löwen“ und in Ulricehamn war endlich Zeit für ein schönes Buch und Ruhe. Zudem entschieden wir uns für den Kauf eines schon vorher besichtigten Wochenendgrundstücks in Ingvasta. Die Maklerin hatte dann einiges zu tun und wir kauften in Voraussicht auf die viele Arbeit einen amerikanischen Pickup. Nach 8 ½ Jahren kehrten wir in diesem Sommer auch an unseren ersten Urlaubsort in Schweden zurück: Göteborg.
Nach unserem Urlaub ging es dann Schlag auf Schlag in Ingvasta: Wohnwagen gekauft und aufgestellt, Gartengeräte gekauft und einsatzbereit gemacht und Bäume gefällt. Viele Bäume. Im August noch ein Kurztrip nach Berlin zum 65. Hochzeitstag meiner Großeltern. Ob ich auch mal so lange verheiratet sein werde?
Die ersten Erschöpfungszeichen sind inzwischen nicht mehr zu leugnen bzw. wegzureden und so ziehe im September die Notbremse vom Job und werde mit „Burn Out“ krankgeschrieben. Und während ich daheim Energie sammle, findet Stefan mit einem neuen maximalen Budget ein Traumhaus. Nur zwei Monate nach dem Kauf des Wochenendgrundstückes. Sollen wir wirklich kaufen? Endlich nicht mehr die stinkenden Raucher als Nachbarn? Wir entscheiden uns dafür. Das bewegte Jahr 2013 beenden wir damit, dass wir den EOS erstmals in einen Winterschlaf in einer gemieteten Tiefgarage schicken. Wir haben ja noch „Bette“ – unseren Pickup. Mit ihr als Umzugshelferin wird auch der komplette Hausrat bei Shurgard eingelagert.
2014
Im Januar 2014 geht es für uns in einen Zwischenwohnung in Märsta. Unsere Wohnung in Fruängen wird im Februar 2014 verkauft. Wir leben nur noch aus Kartons bis im April, kurz vor Ostern, unser Haus einzugsbereit sein wird. Von Anfang des Jahres bis Anfang Mai lerne ich Englisch (Niveau 5 & 6) und darf nun auch studieren.
Unterdessen hat ein hilfsbereiter Nachbar mit seiner Forstmaschine in Ingvasta die Bäume gefällt, die wir nicht mehr haben wollen.
Während sich der Ausbau des Hauses gut entwickelt – alles im Zeitplan – entwickelt Bette Animositäten – wir verabschieden uns von Bette und denken, mit dem Kauf einer Mercedes C-Klasse alles richtig gemacht zu haben. Trotzdem geht es per Zug nach Berlin zum 60. Geburtstag von Thomas und 90. Geburtstag von meinem Opa. Zurück in Stockholm merken wir dass der Kauf ein Trugschluss war. Ein eingebauter Fabrikationsfehler lässt uns die C-Klasse schnell gegen einen kleinen Citroen C2 tauschen. Am 29. März bekommen wir unsere schwedische Staatsbürgerschaft.
Kurz nach Schlüsselübergabe für unser neues Haus geht es im Eiltempo ans Einziehen. Besuch aus Berlin ist angekündigt. Mit dem kleinen Auto machen wir die großen Einkäufe bei IKEA.
Ich werde wieder gesund geschrieben und schaffe mit dem neuen Schuljahr den Absprung: ich wechsle den Arbeitgeber. Zudem werde ich vom Schüler zum Student.
Ein neues Haus erfordert viele Arbeiten – so wird die Auffahrt gelegt, während Stefan in Südafrika weilt, es wird Erde angekarrt sowie Hecke und Bäume gesetzt. Auch der Vorrat wird isoliert und ein Terrassengeländer gebaut.
Ingvasta haben wir aber nicht vergessen, wir haben uns dort auf das grundlegende Ausharken von verrottendem Holz konzentriert. Zudem haben wir vier neue Grenzrohre bekommen und könnten nun einen Bauantrag stellen.
Wir durften Babysitter für Linus sein, der sich bei den heißen Temperaturen über das geliehene Planschbecken der Nachbarn sichtlich freute.
Wir waren auf einer VW Käfer- und Bully Veranstaltung und ich hätte gerne den einen oder anderen Wagen dort mitgenommen.
Das Ende des Jahres 2014 haben wir in Berlin erlebt: der EOS bekam eine Anhängerkupplung während wir die Familien besuchten.
2015
Auch das Jahr 2015 ging bisher ganz flott weiter. So haben wir für eine längere Zeit mal intensiv Elektroautos testen dürfen und ich wüsste jetzt auch, welches Modell den Citroen ersetzen könnte. Einzig mein Studienplan wird diesen Wunsch wohl pausieren lassen. Ich möchte nämlich ab Herbst 2015 Vollzeit studieren – dann könnte ich in 2 ½ Jahren fertig sein und vermeide so die weitere permanente Dauerbelastung von zwei Jobs und einem gleichzeitigem Studium.
6 Jahre in Schweden – Wahnsinn, es ist unglaublich viel passiert.