Erste Arzterfahrungen
Heute früh ging es Lutz “richtig scheiße”, so dass wir uns entschlossen, doch einen Arzt aufzusuchen. Das sollte sich als gar nicht so leichte Übung herausstellen – doch der Reihe nach.
Soweit wir durch “Gerüchte und Hörensagen” schon erfahren hatten, gibt es hier in Schweden ein mehrstufiges System: Erste Anlaufstelle bei Krankheit ist das sog. Vårdcentral, eine Art Poliklinik oder Hausarzt-Ansammlung. Diese haben, soweit ich das in Erfahrung bringen konnte, nur in der Woche und auch nur tagsüber geöffnet. Ausserhalb dieser Zeiten muss man sich direkt an ein Akutsjukvård, also ein Krankenhaus, wenden. Zwischen diesen beiden Möglichkeiten gibt es noch eine weitere, die Närakuten. Dies sind kleinere Aussenstellen von Krankenhäusern, welche auch abends und am Wochenende behandeln.
Da es sich ja heute um einen Feiertag handelt, aber trotzdem Geschäfte etc. offen haben, war uns die Lage nicht ganz klar. Also galt der erste Versuch der Kontaktaufnahme dem hiesigen Vårdcentral. Dort machte es den Anschein, dass sie offen hätten, da ich in einer Telefon-Warteschleife landete. Doch nach ca. sechs Minuten hatte ich doch genug und legte frustriert auf. Der zweite Versuch galt dem in Liljeholmen am nächsten gelegenen Näraktuten. Angeblich sollten sie offen haben, doch ich erhielt nur die Ansage, meine Nummer zu hinterlassen (was ich dann auch tat) oder was auf dem Anrufbeantworter zu sprechen und wurde auf nach 16:00 Uhr als Termin verwiesen.
Da dies nun ebenfalls keinen Erfolg brachte, Lutz aber gerne jemanden hätte, der sich seine Beschwerden (Kopfschmerzen schon seit einer Woche und Druck vorne auf der Stirn, was heute selbst mit Aspirin nicht mehr zu zähmen war) mal anschaut, rief ich beim Karolinska-Sjukhus (Krankenhaus) an und wollte mich dort durchhangeln. Es brauchte etwas Erklärung, bis die Dame verstand, was ich so wollte. Sie blockte dann ab, dass wir vorbeikommen und nannte mir stattdessen eine Telefonnummer, unter der ich anrufen solle. Diese kam mir sehr bekannt vor und auf meine Nachfrage hin, ob das die vom Närakuten in Liljeholmen sein, wurde mir mein Verdacht bestätigt. Ich meinte dann, dass ich da schon vergeblich versucht hätte, jemanden zu erreichen. Sie bot dann an, dort selbst einmal anzurufen, was ich sehr gerne akzeptierte. Kurze Zeit später erklärte sie mir dann, dass sie in Liljeholmen wohl Probleme mit ihrer Telefonanlage hätten und ich es einfach noch einmal versuchen solle – sie hätten auf jedenfall geöffnet. Wenn das wieder nicht funktionieren sollte, dann solle ich einfach vorbeigehen. Dies ist jedoch hier in Schweden recht unüblich, da man im Normalfall immer einen Termin ausmacht.
So wollte ich gerade einen neuen Anrufversuch starten, da klingelte mein Mobiltelefon. Dran war jemand vom Närakuten Liljeholmen, welche mit mir einen Termin ausmachen wollte – um zehn nach zwei. Das war mir etwas zu spät (es war grade erst halb zehn), so dass ich mit ihr verhandelte und schließlich einen Termin um zehn vor zwei bekam. Nicht viel besser, aber immerhin.
Dieses Prinzip des Termin vereinbarens und dann wohl fast direkt auch rankommen (anders als in Deutschland, wo man dann immernoch Stunden warten muss) ist ungewöhnlich, doch nach etwas Überlegung durchaus als sinnvoll zu betrachten. Schließlich sitzt man nicht im ungemütlichen Wartezimmer mit anderen Kranken herum, sondern kann sich zu Hause halbwegs gemütlich erholen.
Kurz vor zwei waren wir dann im Warteraum, bezahlten 140kr “Eintritt” und harrten der Dinge, die uns erwarten würden. Warten mussten wir schon etwas, doch dann rief uns eine sehr nette, ältere Ärztin auf. Wir erklärten dann, worum es ging, ein wenig auf schwedisch, doch mehr auf englisch, und sie verschrieb Lutz dann Nasenspray und Antibiotika. Ein Rezept bekamen wir nicht in die Hand, nur ein gedrucktes Blatt Papier für die eigenen Unterlagen, was sie an Medikamenten verschrieben hatte. Damit geht man einfach zu einer Apotheke der Wahl und mit seiner Personennummer bekommt man dann das Verschriebene – nahezu papierlos und elektronisch.
Eine Apotheke zu finden, die offen hatte, sollte gar nicht so einfach sein. Die direkt im Gebäude hatte gerade um zwei zugemacht. Ich erinnerte mich, an der Tunnelbana-Station Gullmarsplan eine gesehen zu haben. Dies ist ein recht großer Bahnhof, so dass wir erwarteten, dass diese etwas länger geöffnet hätte. Hatte sie auch, doch wir kamen ganze zwölf Minuten zu spät – sie machte um drei zu. So fuhren wir in Ermangelung mobilen Internets nach Hause und suchten nach Apotheken, die länger oder überhaupt offen hätten. In Kungens Kurva sollte sich eine befinden, die, wenn der heutige Tag als normaler Wochentag zählt, bis 20:00 Uhr, anderenfalls bis 18:00 Uhr offen hätte. Also nix wie hin.
Sie hatte wirklich noch offen und wir zogen eine Nummer, um unser Rezept dann einzulösen. Wir wurden noch gefragt, ob sich Lutz gleich elektronisch registrieren lassen wolle – zur Dokumentation seiner Ausgaben für Medikamente. Hat man die Grenze von 900kr im Jahr erreicht, muss man ab dann “nur” noch die Hälfte zahlen. Wäre man nicht elektronisch registriert, müsste man alle Belege aufheben und bei den nächsten Apotheken vorlegen.
Schlussendlich war es ein ereignisreicher und auch teurer Tag: 140kr Eintritt im Närakuten (immerhin preiswerter als im Sjukhus, wo man 300kr bezahlt hätte), 340kr für die Medikamente und am Tag zuvor hatte ich schon für 89kr ein Naturmittel geholt – worüber die Ärztin nur gelacht hatte und es gar nicht kannte. Im Gegensatz zu den Apotheken, wo ich nach Gelomyrthol fragte, was ich eigentlich haben wollte, kannte sie dies jedoch.
Na dann, Gute Besserung!